Schlechte Note? – Diese 5 Tipps helfen deinem Kind.

Posted by Barbara Tolliner on 23. Februar 2023 in Eltern

Zeugnistage habe ich gehasst und auch geliebt. Ich sah Noten oft als eine Bewertung für mich als Mensch an und nicht für meine Leistungen. Das fühlte sich – nie – gut an. Die Ferien, die darauffolgten, fühlten sich jedoch gut an.

War das bei dir auch so?

Und wie ist es heute? Lösen schlechte Noten deines Kindes bei dir negative Gefühle aus? Ertappst du dich dabei, dass du dein Kind kritisierst? Wird es dann bockig, obwohl du es nur gut gemeint hast und ihm helfen wolltest? Damit bist du nicht allein. Mit den folgendenden Tipps schaffst du eine Veränderung für dein Kind und dich.

Tipp 1: Weg mit Kritik, Vorwürfen und Ratschlägen.

Bitte spare mit Kritik, Vorwürfen und Ratschlägen. Letzteres machst du wahrscheinlich für dich, weil du dich hilflos fühlst und deinem Kind helfen möchtest, aber in den seltensten Fällen hilft es deinem Kind.

Wenn das Zeugnis deines Kindes nicht so gut ist, ist dein Kind ja schon unmittelbar davon betroffen. Zusätzlich dein Kind zu kritisieren, ist also nicht notwendig.

Geh davon aus, dass es sein Bestes in diesem Semester gegeben, auch wenn du das Gefühl hast, da würde schon noch mehr gehen.

Versuche interessiert herauszufinden, was da los ist.

Schau dein Kind an. Was siehst du? Enttäuschung? Traurigkeit? Angst? Zweifel an sich selbst? Passt schon? Ja, das kann tatsächlich so sein, dass dein Kind zufrieden ist. Du nicht. Ihr müsst nicht gleicher Meinung sein.

Unsere Tochter Viktoria erhielt in der ersten Klasse Gymnasium ein „Nicht Genügend“ im Jahreszeugnis in Mathematik. Ich suchte das Gespräch in einem passenden Moment mit ihr, schaute sie an und sah, dass es ihr gar nicht egal war.

Auf meine Frage: „Brauchst du Hilfe? kam ein klares „Nein“ und auf: „Was willst du machen?“ war die Antwort: „Ich will es noch mal versuchen“. Und so machten wir es auch. Ohne Hilfe. Immer kurz am Nicht genügend vorbei.

In meinem Kopf hatte ich schon einige Ratschläge für sie parat. Ich behielt sie für mich.

Gar nicht so einfach. Ich zeigte ihr, dass ich immer für sie da bin, wenn sie Hilfe braucht.

Tipp 2: Vertraue deinem Kind.

„Den armen Hascherln muss man genau sagen, wie Mathematik geht“ brachte die Mathematikprofessorin gleich zu Beginn des Schuljahres ihre Einstellung zur Mathematik und den Kindern auf den Punkt.

Diese Äußerung machte mir Gänsehaut. Unsere Tochter wollte lernen, ging vorurteilsfrei in die Mathematikstunde und bemühte sich. Trotzdem mussten wir am zweiten Schultag eine von der Professorin rot durchgestrichene Hausaufgabenseite zur Kenntnisnahme unterschreiben. Und Viktoria musste die Hausaufgabe nochmal schreiben.

Was war passiert? Die Ergebnisse der Rechnungen waren nahezu alle richtig. Aber Viktoria musste erst noch lernen, klein zu schreiben. Das hatte noch nicht so gut geklappt und die Zahlen ragten auch über die karierten Kästchen hinaus.

Unsere Tochter verstand gar nicht, was sie falsch gemacht hatte. Das konnten wir sehen und fühlen. „Du weißt gar nicht, was du falsch gemacht hast. Stimmts?“ fragten wir sie. Ein klägliches „Nein“ war die Antwort. Wir sprachen unsere Anerkennung aus: „Du hast richtig gerechnet!“ Auch ihr Bemühen „Du hast dich so bemüht, klein zu schreiben. Das ist wirklich noch nicht einfach für dich!“ Und sie lernte es.

Wir hatten nie einen Zweifel daran und vertrauten unserem Kind.

Tipp 3: Frag dein Kind und lass es sich selbst einschätzen.

Gehörst du zu den Eltern, die gleich sagen, was sie über das Zeugnis des Kindes denken? Gib deinem Kind die Chance, zuerst selbst zu sagen, was es über das Zeugnis denkt. „Ah, so schaut dein Zeugnis aus. Was meinst du dazu?“ kann eine Frage an dein Kind sein.

Wie das Gespräch verläuft, hängt sehr von deiner Haltung ab.

Bitte geh davon aus, dass dein Kind nur wenig sagen wird. Kinder bringen es kurz und knackig auf den Punkt, ohne lang zu reden. Oft sind es 2 – 3 gesprochene Sätze, die es aber in sich haben. Die hörst du, wiederholst sie gerne und auch was du wahrnimmst bei deinem Kind, wenn es dir etwas sagt.

So erhältst du Informationen, die du als Mama oder Papa brauchst, um zu wissen, wie ihr weitermacht. Du lernst die Sichtweise deines Kindes kennen und wirst erstaunt sein, was du hörst.

Kannst du mit offenem Herzen und wahrhaftigem Interesse deinem Kind lauschen? Nimm dich selbst zurück und höre, was dein Kind dir zu sagen hat.

Das sind die Qualitäten eines Dialogs: offen sein, ehrlich interessiert sein, sich zurücknehmen, etwas lernen wollen über das Kind und die Situation.

Der Dialog wird die Beziehung zwischen dir und deinem Kind stärken. Eine Diskussion eher nicht.

Liegt dir bereits ein Satz wie: „Hab‘ ich dir nicht gesagt, dass du mehr lernen sollst!“ auf der Zunge, lass es. Es bringt nichts, außer, dass dein Kind zu macht, sich verschließt oder angreift. Das würdest du als Erwachsener auch machen!

Meiner Erfahrung nach können sich Kinder bereits im Volksschulalter gut selbst und auch realistisch einschätzen. Sie müssen nur gefragt werden und dabei ernst genommen werden.

Denk dran: Noten sind weder besonders objektiv noch vergleichbar.

Wir glauben das aber. Ein „1-er“ vermittelt: Alles in Ordnung. Das entspannt. Alle.

Das Notenzeugnis hat einen weiteren „Vorteil“. Eltern und Großeltern wissen klar, wie hoch die Belohnung für eine Note sein soll. „Für einen Einser bekomme ich 5,- € von meiner Mama“ erzählte mir ein Volksschulkind. Ich bin gegen dieses System von Belohnung und Bestrafung. Es erinnert mich an Dressur.

Eine Note spiegelt nicht wider wie die Rahmenbedingungen, die Begeisterung und das Engagement der Lehrerin und des Lehrers und wie das Leistungsniveau in der Klasse waren.

Wenn dein Kind gelernt und sich bemüht hat, kommt das nicht immer durch eine gute Note zum Ausdruck. Da spielt noch viel mehr mit:

  • Vertraut es sich und seinem Können?
  • Kann es sein Wissen unter Zeitdruck abrufen?
  • Hat es keine Angst vor Prüfungen?

Kinder können nur schwer damit umgehen, wenn ihre Bemühungen und ihre Anstrengungen nicht gesehen und gewürdigt werden. Erwachsene auch nicht.

Das raubt allen so gründlich die Motivation.

Meiner Meinung nach sollte bei einem Schulkind nur Folgendes bewertet werden:

  • Wie war sein Ausgangpunkt und was hat das Kind dazugelernt?
  • Wie hat das Kind sich in diesem Semester entwickelt?
  • Das geht schon gut, dort muss das Kind noch unterstützt werden.

Dein Kind kann immer nur an seiner eigenen Entwicklung gemessen werden. In der Schule wird es mit anderen verglichen. Erspare ihm dies, indem du es nicht auch tust.

Kann es sein, dass du dir jetzt denkst: „Na und später im Berufsleben wird man ja auch beurteilt?“ Da stelle ich dir eine Gegenfrage: Willst du schon in der Volksschule an das Berufsleben deines Kindes denken? Echt jetzt?

Denn genau diesen Satz habe ich in der 1. Klasse Volksschule am Elternabend von einem Vater gehört. Es zeigt, welche alten Sichtweisen und Sorgen in den Köpfen von uns Eltern sein können.

Tipp 4: Mach kein Projekt aus deinem Kind.

Selbst wenn dein Kind schon in einer höheren Klasse ist, mach kein Projekt aus deinem Kind, indem du schon weit voraus in der Zukunft mit deinen Erwartungen an dein Kind bist. Wir wissen nicht, wie die Berufswelt in einigen Jahren aussieht und welches Wissen dann überhaupt noch erforderlich sein wird.

Und klar, dein Kind will wissen, wie seine Lernfortschritte sind.

Sich selbst einzuschätzen, bedeutet selbstbewusster und selbstsicherer zu werden und nicht mehr abhängig von der Bewertung durch andere zu sein.

Kinder fragen Erwachsende nicht mehr: „Hab‘ ich das gut gemacht?“, sondern wissen in sich: „Das habe ich gut gemacht!“ oder „Das war schon ganz gut, es geht aber noch besser!“

Willst du auch ein Kind, dass von sich aus weiß: „Das kann ich schon“ und „Darin bin ich gut“ oder wenn es noch nicht ganz so ist „Okay, da muss ich noch üben“.

Tipp 5: Schau auf das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen deines Kindes

Lernen ist so ein individueller und persönlicher Prozess. Er geht nicht nur um Leistung.

Bei unserer Tochter war es uns als Eltern besonders wichtig, dass sie ihre Lernfreude, Neugierde und Begeisterung nicht verliert, sie Selbstvertrauen hat und ein gesundes Selbstgefühl entwickelt. Das liegt in in der Verantwortung der Erwachsenen!

Richte den Fokus auf ein gesundes Selbstwertgefühl deines Kindes.

Das lässt dein Kind aufblühen, weil es sich gut genug fühlt, egal wie seine Noten sind. Es vertraut sich und hat die Haltung „Ich schaffe das.“ Diese Grundhaltung wünsche ich jedem Kind. Ein Leben lang.

Glaub mir: Für dein Kind ist das die beste Vorbereitung auf die Zukunft.

Kleinkinder haben eine besondere Gabe. Sie setzen sich ihre „Ziele“ immer eine Spur zu hoch, aber so, dass sie sie durch Training erreichen können. Sie experimentieren, fallen auf die Nase, ja das tut weh, sie lernen aus ihrem Fehler und lassen sich durch nichts und niemanden abhalten, es immer und immer wieder zu versuchen. Sie bestimmen ihr Lernen selbst.

Sie denken nicht: „Verflixt, jetzt habe ich schon dreißig Mal versucht aufzustehen und zu gehen. Es funktioniert nicht. Ich bin zu dumm. Schluss damit, ich gebe auf. Ich schaffe das nicht“.

In meinem Buch „Die ambitionierten Eltern und ihre Feinde“ (Schau hier in mein Buch rein) trägt ein Kapitel die Überschrift: „Weg mit den Noten!“ Eine Mutter stellt die berechtigte Frage: „Ständig diese negativen Noten! Das verurteile ich an unserem Schulsystem so sehr. Warum müssen die Kinder nach Noten beurteilt werden?“

Jedes Kind will lernen, aber nach seinem Entwicklungsstand und seinem Entwicklungstempo. Und so ist es auch in Ordnung.

Aus diesen beiden Gründen ist es unmöglich, dass alle Kinder einer Klasse zum gleichen Zeitpunkt gleich gut lesen können.

Achtung: Wir wollen Normkinder, weil wir glauben, so besser mit ihnen umgehen zu können. Das ist verständlich! Aber ist es auch das Beste für dein Kind?

Um die Frage der Mama von oben zu beantworten: Nein, es muss nicht nach Noten beurteilt werden. Es gibt wirksamere, aussagekräftigere und menschenfreundlichere Möglichkeiten der Beurteilung, wie zB eine verbale Beurteilung oder die Schülerinnen und Schüler bewerten sich selbst mit Kompetenzrastern.

Lass uns mal träumen und stell dir vor, dein Kind erfährt …

… kein Bewertungen mehr.
… keine Zweifel mehr.
… keine Kritik mehr.
… keine Angstmacherei mehr.
… keinen Druck mehr.
… keine Demütigung mehr.

Unmöglich, denkst du dir jetzt? Und wahrscheinlich hast du Recht.

Lernen ginge dadurch viel leichter und gelänge viel öfters.

Das Selbstwertgefühl, mit dem jedes Kind geboren wird, würde zu keimen beginnen, wachsen und sprießen. Durch unsere persönlichen Rückmeldungen, das heißt, ohne zu bewerten, zweifeln, ständig zu kritisieren, Angst machen, Druck ausüben und gar demütigen. Ich weiß, dass das gar nicht so einfach umzusetzen ist. Aber glaube mir, es ist einen Versuch wert.

Was du tun kannst:

Versuche einfühlsam, geduldig und interessiert zu sein.
Vertraue deinem Kind.
Traue ihm etwas zu.
Nimm ihm nicht alle Probleme ab.
Gibt ihm die Sicherheit, da zu sein, wenn es Hilfe braucht.
Signaliesiere deinem Kind, dass es trotz schlechter Note in Ordnung ist, so wie es ist.

Das höre ich öfters: „Ich kann ja nur da sein für mein Kind“. Weißt du eigentlich, welches Geschenk, das für dein Kind ist? Du bist da, du hältst die Situation gemeinsam mit deinem Kind aus, wenn es mit einem „Nicht genügend“ im Zeugnis nach Hause kommt. Du nimmst dein Kind wahr, wie es ihm geht. Dein Blick ist liebevoll auf dein Kind gerichtet und es lässt keine Zweifel daran, dass du deinem Kind zutraust, es das nächste Mal anders zu machen.

Du willst wissen, wie du das Selbstwertgefühl deines Kindes stärken kannst?